Bekanntmachung des Innenministeriums (Nr. 32) über Hinweise zum Bundesdatenschutzgesetz für die private Wirtschaft und zum Bildschirmtext-Staatsvertrag vom 22. Dezember 1993

Az.: 2-0552.1/7. Die Veröffentlichung erfolgt im Anschluß an die Hinweise Nr. 31 im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg Nr.1/2 vom 9. Januar 1993, Seite 5/6.

  1. Einzelprobleme der Verarbeitung von Arbeitnehmerdaten
    1.1 Veröffentlichung von Arbeitnehmerdaten im Betrieb
    1.1.1 Krankheitszeiten
    1.1.2 Ausbildungsergebnisse
    1.1.3 ”Besten-” und ”Rennlisten”
    1.2 Auskunft des bisherigen Arbeitgebers an den künftigen Arbeitgeber
    1.3 Übermittlung von Arbeitnehmerdaten an Versicherungsunternehmen
  2. Ausgliederung einer DV-Organisationseinheit als selbständiges Unternehmen

1. Einzelprobleme der Verarbeitung von Arbeitnehmerdaten

Die Daten von Arbeitnehmern werden heute regelmäßig dateimäßig verarbeitet oder genutzt. Hierzu weist die Aufsichtsbehörde auf folgende Probleme hin:

1.1 Veröffentlichung von Arbeitnehmerdaten im Betrieb
1.1.1 Krankheitszeiten

Der Aufsichtsbehörde liegen Informationen vor, wonach in Betrieben Listen am ”Schwarzen Brett” ausgehängt oder den Gehaltsabrechnungen beigelegt worden sind, aus denen die Namen der einzelnen Beschäftigten sowie deren jährliche Krankheitstage hervorgehen. Nach dem Bundesdatenschutzgesetz (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2) und nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen sind personenbezogene Daten, die sich auf arbeitsrechtliche Rechtsverhältnisse beziehen, vertraulich zu behandeln. Dies bedeutet, daß ein Arbeitgeber, wenn er seinen Arbeitnehmern den Krankenstand vor Augen halten will, allenfalls zusammengefaßte Angaben hierzu machen darf, die sich nicht auf einzelne Arbeitnehmer beziehen lassen.

Wenn ein Arbeitgeber auf Mitarbeiter einwirken will, muß dies im Rahmen des jeweiligen Arbeitsverhältnisses direkt gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer geschehen (etwa in Personalgesprächen). Eine Anprangerung durch Aushang am ”Schwarzen Brett” oder durch Verteilen von Listen an die Arbeitnehmer ist demgegenüber unzulässig und stellt eine unverhältnismäßige, das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer verletzende Maßnahme dar. Auch im Verhältnis zum einzelnen Arbeitnehmer dürfen grundsätzlich keine Angaben über krankheitsbedingte Fehlzeiten gemacht werden, die sich auf namentlich benannte oder bestimmbare Vergleichspersonen beziehen.

1.1.2 Ausbildungsergebnisse

Die Veröffentlichung individueller Prüfungsergebnisse vom Auszubildenden und Arbeitnehmern wird von der Zweckbestimmung des Arbeits- oder Ausbildungsvertrags nicht gedeckt. Eine Veröffentlichung darf deshalb nur mit schriftlicher Einwilligung des Betroffenen oder aufgrund von § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG erfolgen. Diese Vorschrift setzt voraus, daß der Arbeitgeber in Einzelfällen ein berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung von Prüfungsergebnissen hat (z.B. Veröffentlichung eines ”Landessiegers”), die Veröffentlichung zur Wahrung seiner Interessen erforderlich ist und schutzwürdige Interessen des Betroffenen nicht entgegenstehen. Um dies beurteilen zu können, empfiehlt es sich, den Betroffenen von der beabsichtigten Veröffentlichung zu unterrichten und ihm Gelegenheit zu geben, hiergegen Einwände vorzubringen.

Der Veröffentlichung aller im Betrieb erzielten Prüfungsergebnisse, insbesondere der negativen Ergebnisse, werden demgegenüber regelmäßig überwiegende schutzwürdige Interessen von Betroffenen entgegenstehen. Prüfungsergebnisse sind persönliche Daten, deren Bekanntgabe erhebliche Auswirkungen für das Ansehen der Betroffenen innerhalb und außerhalb des Betriebs haben kann.

1.1.3 ”Besten-” und ”Rennlisten”

Die betriebsinterne Veröffentlichung von Arbeitnehmerdaten in ”Bestenlisten” oder ”Rennlisten”, in denen z.B. für Bereiche wie Akquisition oder Verkauf die erfolgreichsten Mitarbeiter oder die Leistungen der Mitarbeiter der Reihe nach aufgeführt werden, ist nur zulässig.

  • wenn sie im Arbeitsvertrag vorgesehen ist (§ 28 Abs. 1 Nr. 1 BDSG), soweit die Mitarbeiter hierin wirksam eingewilligt haben oder
  • wenn die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG vorliegen, d.h. insbesondere ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Veröffentlichung der Daten besteht (z.B. zur Förderung der Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter).

Die Veröffentlichung einer ”Bestenliste” wird in der Regel nach § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG zulässig sein, weil regelmäßig kein Grund zu der Annahme bestehen wird, daß die betroffenen Mitarbeiter ein der Veröffentlichung entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse haben. Um die Verletzung von Mitarbeiterbelangen aber auch in solchen Fällen auszuschließen, empfiehlt es sich, die betroffenen Mitarbeiter zu unterrichten und ihnen Gelegenheit zu geben, gegen die vorgesehene Veröffentlichung Einwände vorzubringen. Zu bedenken ist bei einer Veröffentlichung der besten Arbeitsergebnisse, daß damit indirekt auch Informationen über die übrigen Mitarbeiter preisgegeben werden. Dies kann bei einer geringen Mitarbeiterzahl leicht zu Diskriminierungen führen.

Die Veröffentlichung der Arbeitsergebnisse aller Mitarbeiter des Unternehmens oder einzelner Unternehmensbereiche in einer sog. ”Rennliste” auf der Grundlage von Einwilligungen ist nur zulässig, wenn diese freiwillig und ohne Zwang erteilt worden sind. Das kann wegen der in Arbeitsverhältnissen häufig bestehenden sozialen Abhängigkeit problematisch sein. Bei Mitarbeitern, die unterdurchschnittliche Leistungen erbracht haben, stehen einer Veröffentlichung nach § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG regelmäßig schutzwürdige Interessen entgegen, da die Veröffentlichung schlechter Arbeitsergebnisse erhebliche Auswirkungen auf das Ansehen des Betroffenen innerhalb und außerhalb des Betriebs haben kann.

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1.2 Auskunft des bisherigen Arbeitgebers an den künftigen Arbeitgeber

Für einen Arbeitgeber besteht unter Umständen das Bedürfnis, vor einer Einstellung beim bisherigen Arbeitgeber Auskünfte über Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers während des Arbeitsverhältnisses einzuholen, etwa auch über krankheitsbedingte Fehlzeiten. Ob eine derartige Auskunft heute noch ohne ausdrückliche Einwilligung des betroffenen Arbeitnehmers zulässig ist, erscheint fraglich. Bisher arbeitsrechtlich für zulässig gehaltene Arten der Datenübermittlung müssen im Lichte des sogenannten Volkszählungsurteils des Bundesverfassungsgerichts (”Recht auf informationelle Selbstbestimmung”) neu bewertet werden. Aus diesem Grunde empfiehlt es sich, solche Auskünfte nur mit schriftlicher Einwilligung des Bewerbers einzuholen.

Bisher besteht für Arbeitnehmer im nicht-öffentlichen Bereich noch keine gesetzliche Regelung, welche die Einholung und Erteilung solcher Auskünfte von einer Einwilligung des Arbeitnehmers abhängig macht. Soweit daher noch Auskünfte ohne Einwilligung eingeholt werden, ist zu beachten, daß eine Übermittlung dateimäßig gespeicherter Daten nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. A BDSG nur zulässig ist, soweit sie zur Wahrung berechtigter Interessen des künftigen Arbeitgebers erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, daß der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluß der Übermittlung hat.

Ein berechtigtes Interesse des künftigen Arbeitgebers besteht nicht bereits aufgrund der Bewerbung und auch nicht bezüglich solcher Bewerber, die nicht in die engere Wahl gezogen werden oder die - gleich aus welchen Gründen - für die Besetzung der Stelle nicht in Betracht kommen. Es besteht vielmehr nur, wenn die Einstellung des Bewerbers bei einer günstigen Auskunft ernsthaft in Betracht gezogen wird.

Auch bei bestehendem berechtigten Interesse des künftigen Arbeitgebers an der Kenntnis von Gesundheitsdaten oder anderen Daten aus dem bisherigen Arbeitsverhältnis eines Bewerbers stehen der Übermittlung solcher besonders sensibler Daten nach der gesetzlichen Vermutung des § 28 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 BDSG regelmäßig schutzwürdige Interessen des Betroffenen entgegen. Deshalb ist der Arbeitnehmer über die beabsichtigte Datenübermittlung, den Empfänger der Daten und die zu übermittelnden Daten zu informieren, um ihm Gelegenheit zu geben, Einwendungen hiergegen vorzubringen. Ohne eine solche Beteiligung kann das in § 28 BDSG genannte ”schutzwürdige Interesse” des Betroffenen am Ausschluß der Übermittlung im Einzelfall nicht zuverlässig beurteilt werden.

Unabhängig vom Vorliegen der Einwilligung und unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer Einwendungen erhoben hat oder nicht, darf der bisherige Arbeitgeber dem künftigen Arbeitgeber unter Berücksichtigung der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung zum Fragerecht des Arbeitgebers zur solche Daten übermitteln, an deren Kenntnis der künftige Arbeitgeber im Hinblick auf das geplante Arbeitsverhältnis ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse hat. Beispielswiese beschränkt sich der Umfang der Übermittlung von Gesundheitsdaten im wesentlichen auf Angaben über

  • das Vorliegen einer Krankheit bzw. einer Beeinträchtigung des Gesundheitszustands, durch die die Eignung für die vorgesehene Tätigkeit auf Dauer oder in periodisch wiederkehrenden Abständen eingeschränkt wird;
  • Umstände, wegen derer - zum Zeitpunkt des Dienstantritts bzw. in absehbarer Zeit mit einer Arbeitsunfähigkeit zu rechnen ist (akute Erkrankungen, geplante Operationen und bewilligte Kuren);
  • das Vorliegen ansteckender Krankheiten, die zwar nicht die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen, aber andere Mitarbeiter gefährden.

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1.3 Übermittlung von Arbeitnehmerdaten an Versicherungsunternehmen

Versicherungsunternehmen treten häufig mit der Bitte an Betriebe heran, ihnen Namen und Adressen von Mitarbeitern zur Bewerbung mit Versicherungsleistungen zu überlassen. Besonderes Interesse finden dabei regelmäßig die Daten von Berufsanfängern und Auszubildenden. Hierzu wird darauf hingewiesen, daß die Übermittlung von Arbeitnehmerdaten zum Zwecke der Werbung nur mit schriftlicher Einwilligung des Betroffenen zulässig ist, wobei dieser auf den Zweck der Datenübermittlung und den Empfänger der Daten hinzuweisen ist. Es reicht nicht aus, statt einer Einwilligung dem Arbeitnehmer die beabsichtigte Datenübermittlung nur allgemein (z.B. durch Betriebszeitung oder Aushang am Schwarzen Brett) oder in anderer Form bekanntzugeben und ihm ein Widerspruchsrecht einzuräumen. Auch aufgrund von § 28 Abs. 2 Nr. 1b BDSG dürfen Arbeitnehmerdaten nicht an Versicherungen übermittelt werden. Mit der Weitergabe der Daten würde zugleich die Informationen mitgeteilt, daß diese Personen bei einem bestimmten Unternehmen beschäftigt sind. Nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 letzter Anstrich BDSG besteht die gesetzliche Vermutung, daß der einzelne Betroffene ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluß der Übermittlung seiner personenbezogenen Daten aus dem Arbeitsverhältnis hat.

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2. Ausgliederung einer DV-Organisationseinheit als selbständiges Unternehmen

Bei der Umstrukturierung eines Unternehmens gibt es Fälle, in denen DV-Organisationseinheiten ausgegliedert und als rechtlich selbständiges Unternehmen fortgeführt werden. Hierbei handelt es sich um eine Variante des Outsourcing. Das neue Unternehmen übernimmt dabei für das Mutterunternehmen regelmäßig die gesamte oder jedenfalls einen erheblichen Teil der Datenverarbeitung (etwa Rechenzentrum, Netzbetrieb). Diese Tätigkeit stimmt inhaltlich häufig weitgehend mit derjenigen überein, die vor der Abspaltung von der DV-Organisationseinheit als unselbständigem Teil des Unternehmens wahrgenommen worden ist.

Soweit das Mutterunternehmen dem neuen Unternehmen die Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten überträgt, ist darauf hinzuweisen, daß trotz der inhaltlichen Ähnlichkeit der Tätigkeit datenschutzrechtlich wesentliche Unterschiede bestehen. Aufgrund der Ausgliederung der DV-Organisationseinheit als rechtlich selbständiges Unternehmen darf die weitere Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten für das Mutterunternehmen nur erfolgen

  • entweder als Auftragsdatenverarbeitung oder
  • im Rahmen der Funktionsübertragung.

Bei der Auftragsdatenverarbeitung wird das neue Unternehmen zur Erfüllung der Geschäftszwecke des Mutterunternehmens nach dessen vertraglichen Anordnungen und Weisungen und in dessen Verantwortungsbereich tätig. Dabei sind die in § 11 BDSG genannten datenschutzrechtlichen Anforderungen sowie die Meldepflicht zum Datenschutzregister nach § 32 BDSG zu beachten.

Bei der Übertragung ganzer Funktionen (etwa der Lohn- und Gehaltsabrechnung oder der Buchhaltung) und der dazugehörigen Datenverarbeitung nimmt das neue Unternehmen eigene Geschäftszwecke wahr und ist für die Datenverarbeitung selbst verantwortlich. Die Übermittlung der Daten vom Mutterunternehmen an das neue Unternehmen darf nur unter den Voraussetzungen des § 28 BDSG erfolgen.

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